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EZB reagiert auf Ukraine-Krieg: Stresstest für Banken mit Russland-Engagement

Russland hat am Donnerstagmorgen damit begonnen, die gesamte Ukraine anzugreifen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Kriegszustand aus. Die eskalierende Situation hat auch Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Die Europäische Zentralbank (EZB) forderte von den in Russland tätigen Banken „Einschätzungen zu den Risiken, die sich aus diplomatischen und militärischen Szenarien im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen Moskau und dem Westen zur Ukraine ergeben könnten“, berichtete FAZ-Online unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Aufseher der Notenbank arbeiten demnach mit den von ihnen beaufsichtigten Kreditinstituten an der Einschätzung von Risiken für Liquidität, Kreditbücher, Handels- und Devisenpositionen sowie ihre Fähigkeit, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, hieß es.

In einigen Fällen sei man täglich in Kontakt. Die modellierten Szenarien umfassen den Angaben zufolge scharfe Sanktionen wie auch die Folgen einer Invasion. Ein Sprecher der Notenbank erklärte demnach, man beobachte die Situation und stehe in engem Kontakt mit Banken und nationalen Aufsichtsbehörden. Die Geldhäuser im Euroraum seien in unterschiedlichem Umfang in Russland engagiert. Insgesamt scheine sich das Risiko jedoch in Grenzen zu halten, sagte er dem Bericht zufolge.

Bankenpräsident Christian Sewing erklärte zum Angriff auf die Ukraine: „Die deutsche Kreditwirtschaft verurteilt in aller Schärfe den Angriff Russlands auf die Ukraine. Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass die russische Regierung die Grenzen eines souveränen Landes und somit die Friedensordnung in Europa in Frage stellt. Wir stehen geschlossen an der Seite der Bundesregierung und der Europäischen Union, wenn es um Sanktionen geht.“ Völkerrechtswidrige Aggressionen und der Überfall eines Landes dürfen im 21. Jahrhundert nicht folgenlos bleiben, so Sewing. Menschen hätten ein Recht darauf, in Freiheit und Demokratie zu leben: „Unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine.“

Banken sehen sich für den Notfall gerüstet
Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine hätten zahlreiche Banken hervorgehoben, für den Notfall gerüstet zu sein, teilte der Bankenverband in seinem Bankenbrief mit: „Wir haben uns auf verschiedene Szenarien vorbereitet und Notfallpläne entwickelt“, so ein Sprecher der Deutschen Bank: „Wir haben unser Engagement in Russland in den vergangenen Jahren erheblich verringert, und unsere Risiken sind unter Kontrolle.“ Auch ein Sprecher der Commerzbank erklärte demnach: „Wir sind für verschiedene Eskalationsszenarien vorbereitet.“

Das Engagement in Russland und der Ukraine sei überschaubar, es sei in den vergangenen Jahren bereits deutlich reduziert worden. Das in Russland und in der Ukraine tätige österreichische Geldhaus Raiffeisen Bank International (RBI) teilte den Angaben zufolge mit, dass es schon im letzten Jahr Rückstellungen gebildet sowie die Fremdwährungsabsicherung in Rubel erhöht habe. Auch die russische Sberbank habe verlautet, auf alle Entwicklungen vorbereitet zu sein.

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel, erklärte derweil, aufgrund der aktuellen Lage wachse die Verunsicherung an den Börsen. „Entscheidend ist jetzt, wie lange die Militäroperation andauert, wie weit russische Truppen in die Ukraine vordringen und welche Reaktionen aus dem Westen und aus China erfolgen. An den Aktienmärkten führt die Korrektur der bisherigen Erwartung eines moderaten Konfliktverlaufs zunächst zu einem deutlichen Abverkauf. Auf den DAX bezogen, könnte als Haltelinie unter charttechnischen Gesichtspunkten sogar die Marke von 13.566 Punkten ins Spiel kommen. Bis mehr Klarheit herrscht, dürften sichere Häfen wie Bundesanleihen, US-Dollar und Gold gefragt bleiben.“

Russland droht Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr
Die außenwirtschaftlichen Verbindungen Deutschlands mit Russland und der Ukraine seien mit einem Anteil von 2,3 bzw. 0,3 Prozent am gesamten deutschen Außenhandel überschaubar, erklärte Mumm weiter. Die wichtigste Frage sei, ob es durch Sanktionen zu einem Abschneiden Russlands vom internationalen Zahlungsverkehr und folglich möglicherweise zu einer Einstellung von Erdgaslieferungen kommen könnte. In diesem Fall seien Zahlungsausfälle russischer Schuldner mit Rückwirkungen auf einzelne Banken oder Gläubiger in Europa und weiter steigende Energiepreise wahrscheinlich, so Mumm.

Da der Winter bisher relativ mild verlaufen sei, sei trotz relativ gering gefüllter Erdgaslager in Europa zunächst nicht mit Rationierungen zu rechnen. Noch sei die Lage zu unübersichtlich, um sich neu zu positionieren. In der Vergangenheit hätten kriegerische Auseinandersetzungen zumeist nur kurzfristige Rücksetzer an den Aktienmärkten zur Folge gehabt: „Allerdings ist noch nicht absehbar, wie tief die Kurse tatsächlich rutschen können. Solange nicht der Umfang des russischen Vormarschs und das Ausmaß der Sanktionen klar sind, sollten sich Anleger jedoch zurückhalten“, so Mumms Fazit.

Aktuell zeichneten sich zudem durch die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine und eines möglichen kriegerischen Konflikts signifikante Risiken für die globalen Finanzmärkte und die makroökonomischen Entwicklungen ab, teilte unterdessen Creditreform Rating mit. Sanktionen der NATO und anderer westlicher Verbündeter könnten zu Gegensanktionen führen, die die Energiepreise und die Kosten für eine Reihe anderer Rohstoffe und Produkte drastisch ansteigen lassen könnten – was letztlich der Weltwirtschaft in einem immer noch unsicheren epidemiologischen Umfeld einen harten Schlag versetzen könnte.

„Mögliche Sanktionen wie ein Ausschluss russischer Banken vom globalen Zahlungssystem Swift könnten auch Risiken für internationale Banken mit größerem Engagement in Russland mit sich bringen“, erklärte Dr. Benjamin Mohr, Head of Sovereign Ratings and Economic Research bei dem Unternehmen. (ud)

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