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Offenbar kein Spiegel der tatsächlichen Lage: Weniger Insolvenzen im ersten Halbjahr

Zunächst scheint die Meldung verwirrend: Trotz der durch die Corona-Krise ausgelösten Rezession verringerte sich die Zahl der Unternehmenspleiten im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um satte 8,2 Prozent. Waren es im Vergleichszeitraum 2019 noch 9.690 Pleiten gewesen, so wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nur 8.900 Fälle gezählt. „Das Insolvenzgeschehen als Seismograph der ökonomischen Entwicklung hat sich damit von der tatsächlichen Situation der deutschen Unternehmen entkoppelt“, teilte Creditreform heute mit. Als eine der Ursachen, wodurch offenbar viele Unternehmen einer Insolvenz entgehen konnten, werten die Wirtschaftsforscher vor allem die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, wie beispielsweise die KfW-Kredite und andere Zuschüsse für Selbstständige oder kleine Gewerbe.

Die Neusser halten dies für einen Verschleierungs-Effekt, die staatlichen Zuschüsse führten nach ihren Erkenntnissen zu einem unerwünschten Mitnahmeeffekt: Danach wurde das Aus für angeschlagene Unternehmen – die ohne die krisenbedingten Zuschüsse längst den Gang zum Insolvenzgericht angetreten hätten – nur verschleppt. Ende September, wenn die vom Bundesjustizministerium verfügte Aussetzung der Insolvenzantragspflichten wieder endet, dürfte die Zahl der Verfahren deshalb erheblich ansteigen. „Eine solche Insolvenzwelle wäre nur dann abzuwenden, wenn es den betroffenen Unternehmen gelänge, bis zu diesem Zeitpunkt die Krisenfolgen zu überwinden und sich wieder zu stabilisieren.“ Eine rasche Erholung bezweifelt Creditreform angesichts der schweren Rezession allerdings. Zudem könnten auch die geringere Produktivität und ein Bearbeitungsrückstand der Insolvenzgerichte dazu beigetragen haben, dass weniger Insolvenzen registriert wurden.

Mehr Großunternehmen betroffen

Die Gläubigerschäden beliefen sich im ersten Halbjahr auf rund 12 Mrd. Euro, wobei jeder Insolvenzfall die Gläubiger im Schnitt mehr als 1,3 Mio. Euro kostet. Das ist der höchste Wert der vergangenen Jahre. Unter den Insolvenzen finden sich prominente Namen, wie die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, die Textilhändler AppelrathCüpper und Hallhuber, der Modehersteller Esprit sowie die Restaurantketten Vapiano und Maredo. Unterschieden nach Wirtschaftsbereichen gab es keine Veränderung bei Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe (2019 und 2020 jeweils 710 Fälle im ersten Halbjahr), aber eine sinkende Zahl von Pleiten im Baugewerbe (-9,4 Prozent, 1.260 Fälle) sowie im Handel (-10,2 Prozent, 1.840 Fälle).

Auch bei den Verbraucherinsolvenzen sind die Zahlen mit -6,4 Prozent weiter rückläufig (30.800 Fälle gegenüber 32.920 im ersten Halbjahr 2019). Creditreform geht allerdings davon aus, dass die Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt zu mehr Überschuldung und damit zu einer Verlangsamung dieses Trends führen wird.  (kra)

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